Effizienz durch Sauberkeit

Wie sich mit Spülkanälen in der Funkenerosion Produktivitätssteigerungen erzielen lassen

Funken schlagen, Blitze zucken, Partikel wirbeln umher – Funkenerosion ist das wohl spektakulärste Fertigungsverfahren der Produktionstechnik. Mithilfe eines Generators wird zwischen zwei Elektroden in einer nichtleitenden Flüssigkeit, einem sogenannten Dielektrikum, eine Spannung angelegt. Dabei werden Funken zwischen zwei Werkstoffen erzeugt. Werkzeug und Werkstück berühren sich dabei nicht und ihr Abstand, der sogenannte Arbeitsspalt, beträgt gerade einmal 100 Mikrometer. Das entspricht der Breite eines menschlichen Haars. Das kontaktlose Aufschmelzen erlaubt eine extrem feine Bearbeitung von Oberflächenstrukturen von Metallen.

Das abtragende Verfahren, das 1943 von dem sowjetischen Ehepaar Lazarenko entdeckt wurde, kommt unter anderem in der Zahnmedizin zum Einsatz. So werden durch Funkenerosion beispielsweise passgenaue Abutments gefertigt, die in den Kiefer als Verbindungselement von Implantaten geschraubt werden. Durch Funkenerosion können auch sehr harte Werkstoffe präzise bearbeitet und individuell angepasst werden, was gerade in der Zahntechnik wichtig ist: Passen die Kronen nicht, können sich dort Bakterien ansammeln und Entzündungen verursachen.

Einphasige Strömungssimulationen von sechs verschiedenen Werkzeugelektroden

Während zerspanende Verfahren wie Bohren und Fräsen jedem Hobbyhandwerker ein Begriff sein dürften, wissen die wenigsten um die Schlüsselrolle, die Abtragverfahren für die Herstellung von Hochpräzisionsbauteilen in vielen industriellen Anwendungen spielen. Die Beispiele funkenerosiv hergestellter Mikrobohrungen reichen von Kühlluftbohrungen in Turbinenkomponenten über Kraftstoffeinspritzsysteme, Gasdüsen und Steuerventile in der Automobiltechnik bis hin zu Fadenführern und Spinndüsen in der Textilindustrie. Im Bereich ihrer Hauptanwendungsgebiete, dem Werkzeugund Formenbau, in der Luft- und Raumfahrt sowie der Medizintechnik wird die Funkenerosion meist als letzter Arbeitsschritt vor der Reinigung der Bauteile genutzt.

Das Verfahren bringt einige Herausforderungen mit sich: Bei jedem Funken entstehen Gasblasen und Abtragpartikel, die im Dielektrikum herumschwimmen und die Gefahr von Kurzschlüssen und Lichtbogenentladungen bergen. Diese Entladungen ziehen nicht nur zusätzliche Regelschritte oder Rückzugsbewegungen nach sich, sondern können durch Einbrände auch zur Beschädigung der finalen Bauteiloberflächen führen. Je schmutziger der Arbeitsspalt, desto instabiler wird der Prozess und desto mehr sinkt die Produktivität. Sauberkeit ist daher das A und O, auch bei der Funkenerosion.

Um die Abtragprodukte zu beseitigen, muss der Spalt daher kontinuierlich gespült werden. Beim etablierten Verfahren der Innenspülung wird die nichtleitende Flüssigkeit mit hohem Druck in den Arbeitsspalt hineingepresst. Dabei werden die Abtragpartikel und Gasblasen senkrecht hinausgespült. Je höher der Druck, desto größer ist jedoch die Gefahr von Seitenentladungen und Instabilitäten innerhalb der Mikrobohrungen. Die Folge: Formabweichungen und schiefe Bohrungen.

Um diesen hochkomplexen und stetig wachsenden Herausforderungen beim funkenerosiven Bohren zu begegnen, werden am IWF der TU Berlin Zusatzeinrichtungen, Werkzeugelektroden und Technologien für alternative Dielektrika entwickelt. Ein Beispiel ist die Einbringung außenliegender Spülkanäle in die Mantelflächen zylindrischer Werkzeugelektroden. Dazu wurde mit einem speziellen Langdrehautomaten eine helikale Nut in die Werkzeugelektrode gefräst, die sich spiralförmig um den Messingschaft windet. Durch diesen Helixkanal entsteht quasi eine Ausweichroute für die Gasblasen und Abtragpartikel. Wird nun mit hohem Druck ein Dielektrikum durch den Arbeitsspalt gepresst, werden die Abtragpartikel nicht mehr nur senkrecht über den kürzesten Weg ausgeleitet, sondern können über die Außenkanäle austreten. So sinkt das Risiko für seitliche Entladungen und ungenaue Bohrungen.

In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Grundlagenforschungsprojekt soll ein grundlegendes Verständnis der strömungsdynamischen Vorgänge im Arbeitsspalt erarbeitet werden. Das forschungspraktische Problem: Der Spalt misst weniger als 0,1 Millimeter, ist damit extrem klein und nur schwer zugänglich. Detaillierte optische Untersuchungen der Spülbedingungen sind daher kaum möglich. Im Rahmen von Signalanalysen, bei denen Prozesssignale der Spannung und des Stroms aufgezeichnet werden, lassen sich jedoch Rückschlüsse auf die Entladungen ziehen – und damit auf die Frage, wie effektiv die Evakuierung der Abtragprodukte ist.

Demgegenüber ermöglichen Strömungssimulationen zeitlich und örtlich unbeschränkte Einblicke in die hochkomplexe Dynamik der Funkenerosion. Mittels eines statistischen Modells konnte ein strömungsmechanischer Arbeitspunkt identifiziert werden, der die für ein optimales Wirkverhalten der helikalen Nut notwendige Kombination aus Drehzahl und Spüldruck definiert. So kann verhindert werden, dass die Abtragprodukte aufgrund eines zu hohen Spüldrucks ungeachtet der helikalen Nut einfach senkrecht die Bohrung verlassen.

Mit der geeigneten Kombination aus Drehzahl und Spüldruck lässt sich nachweisen, dass Teile der Abtragpartikel unabhängig vom modellierten Entladeort durch lokale Unterdrücke in die helikale Nut gesaugt werden und auf diesem Weg die Bohrung verlassen. Die Erweiterung des Modells um Gasblasen bestätigt bekannte Beobachtungen, wonach die aufsteigenden Gasblasen die Abtragpartikel auf ihrer Phasengrenze aufschwimmen lassen und die Evakuierung des Arbeitsspalts damit erheblich beeinflussen.

Durch die Kombination klassischer, experimenteller Bohrversuche mit softwaretechnisch anspruchsvollen Klassifizierungen der Signalcharakteristiken und nicht zuletzt mit fortschrittlichsten numerischen Modellen lassen sich mit außenliegenden Spülkanälen Produktivitätssteigerungen im Bereich des funkenerosiven Bohrens erzielen. Wer ordentlich durchspült, hat am Ende auch saubere Ergebnisse.